2.1 Untersuchungsdesign

Welchen Einfluss hat das Internet auf Demokratie und Gesellschaft? Inwiefern verändern online-basierte Kommunikationstechnologien Politik bzw. den Politikprozess? Wie wird das Phänomen der Internet-Tsunamis wahrgenommen und bewertet?

Die sind im Kern, die Fragestellungen, die am Anfang der Forschungsarbeit standen. Antworten auf diese Fragen sind an den Schnittstellen und Übergängen der Themenbereiche Politik, Technologie, Medien und Gesellschaft zu suchen. Eine wissenschaftliche Untersuchung, die dieser Komplexität gerecht werden möchte, muss daher auf ein breites Fundament gestellt werden und über Textanalysen hinaus, möglichst viele unterschiedliche Perspektiven erkunden. Das Forscherteam entschied sich daher für eine explorative Interviewstaffel, um ein möglichst hohes Maß an inhaltlicher Diversität zu generieren.

Explorative Interviews auf Basis einer narrativen Befragung eröffnen das Themenfeld. Anders als in den meisten klassischen Befragungen folgt die Auswahl der Interviewten für eine narrative Befragung nicht dem Kriterium der klassischen statistischen Repräsentativität. Ziel ist es vielmehr, durch die Auswahl der Stichprobe eine inhaltliche Repräsentativität zu erzeugen. Diese wird gewährleistet durch eine maximale Heterogenität der Stichprobe. Die Auswahl der Interviewten sollte dabei die Breite des Themenspektrums widerspiegeln. Ein Augenmerk war daher auf eine möglichst große Diversität der Interviewpartner gelegt.

Die Interviewpartner wurden aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Medien und Wirtschaft ausgewählt und später um die Bereiche NGO, Aktivisten und parteinahe Stiftungen ergänzt. Waren zunächst zwischen 20 und 30 Interviews geplant, so führte die zunehmende Erkenntnistiefe, wie auch das durchweg große Interesse der Interviewpartner in Bezug auf das Untersuchungsthema, zu einer Erweiterung auf 47 Interviews. Es zeigte sich, dass selbst im zuletzt geführten Interview noch neue, für die Untersuchung relevante Perspektiven eröffnet wurden. Dem Engagement und der Offenheit der Interviewten soll an dieser Stelle nochmal ausdrücklich gedankt werden. Die Interviewinhalte sind derart weitreichend, dass selbige in ihrer Gesamtheit hier nicht dargestellt werden können. Wir bitten daher zu entschuldigen, wenn einige der von den Interviewten getätigten Aussagen nicht in der finalen Auswertung enthalten sind.

Untersuchungsdesign und Auswertungsstrategie erfolgten in fünf Schritten:

  1. Erste Interviewphase mit 20 geführten Interviews
  2. Workshop zur Zwischenauswertung und Bildung materialorientierter Auswertungskategorien
  3. Zweite Interviewphase mit 27 geführten Interviews
  4. Codieren der einzelnen Interviews gemäß der Auswertungskategorien
  5. Ausformulierung der Interviewauswertung

Erste Interviewphase

Die Interviewführung folgte einem narrativen Ansatz. Innerhalb eines vorgegebenen Themenkorridors steuerten die Interviewten, entsprechend des Erzählflusses und der eigenen Expertisen, den Gesprächsverlauf selbst. Die Interviewer hinterfragten und paraphrasierten die Antworten der Interviewten, ohne eigene Inhalte einzustreuen. Eine solche Methode wird als narrative Befragung bezeichnet und basiert auf sog. generativen (sich selbst erzeugenden) Interviews [1], die mit der Methode des Storytellings [2] verwandt sind. Auf einen zuvor angefertigten Fragekatalog wurde daher verzichtet. Zu Beginn der Interviews wurden die Interviewten in der Regel dazu aufgefordert von ihrem persönlichen Werdegang mit Bezug auf das Internet zu berichten. Im Anschluss wurde jeweils gefragt, in wie fern das Internet den Bereich des Interviewten (Politik, Medien etc.) verändert. Die Interviews wurden im Rahmen eines persönlichen Gesprächs vor Ort, per Telefon oder Skype von jeweils zwei Interviewern durchgeführt. Die Interviewdokumentation erfolgte in einigen Fällen durch Video- und Audioaufnahmen, andere Interviews wurden handschriftlich dokumentiert.

Workshop Zwischenauswertung

Nach 20 geführten Interviews kamen alle Interviewer für einen Workshop zur Zwischenauswertung der bisherigen Ergebnisse zusammen. Innerhalb dieses Workshops wurden Auswertungskategorien bestimmt. Auf Basis der geführten Interviews isolierten die Workshop-Teilnehmer Begriffe und Begriffskombinationen, aufgrund derer sich Inhalte und Zusammenhänge der Interviews in grundlegende Kategorien unterteilen ließen. Nach einer Sammlung aller für den Untersuchungsgegenstand relevanten Kategorien, wurden diese wiederum in einem diskursiven Prozess geclustert und Meta-Kategorien bestimmt. Die so entstandene Landkarte enthält Aufmerksamkeitsfelder mit den enstprechenden Kausalitäten. Es konnten sechs Meta-Themen identifiziert werden, die sich jeweils schlagwortartig in weitere Unterbereiche gliedern ließen, wie der Auswertungsmatrix entnommen werden kann (vergl. nachfolgende Abbildung).

Abbildung 2-1: Landkarte mit Meta-Themen und Unterkategorien

Zweite Interviewphase

Die Landkarte mit Meta-Themen und Unterkategorien wurde in den darauf folgenden 27 Interviews überprüft, weiter verfeinert und ergänzt. Sie diente zudem fortan als Grobraster zur Interviewführung, um Themenkorridore zu öffnen, ohne dabei in die inhaltliche Steuerung des Interviewverlaufs einzugreifen. Die sechs Meta-Themen dienten der Interviewauswertung als Struktur und entsprechen den sechs hier folgenden Unterkapiteln. Die Meta-Themen sind eng miteinander verbunden, wodurch sich eine klare Trennung als problematisch erwies. Die hier präsentierte Aufteilung ist daher der Subjektivität der verantwortlichen Forscher geschuldet.

Codieren der Interviews

Die Auswertungsmatrix mit Meta-Themen und Unterkategorien wurde zur Vorbereitung des Codierens in eine Mind-Map [3] überführt.

Abbildung 2-2: Mind-Map Interviewauswertung

Unter Verwendung der Interviewdokumentationen (Video, Audio und handschriftliche Vermerke) wurden die Inhalte jedes einzelnen Interviews klassifiziert und bedeutende Aussagen den jeweiligen Auswertungskategorien zugeordnet. Resultat ist eine alle relevanten Aussagen involvierende Mind-Map, die als roter Faden und Leitinstrument für die Ausformulierung der Interviewauswertung.[4] [5] [6]

Abbildung 2-3: Mind-Map Interviewauswertung inkl. Einbindung der relevanten Aussagen

Präsentation der Interviewergebnisse

Die im Folgenden präsentierten Interviewergebnisse entsprechen den Aussagen der Interviewten und stimmen nicht notwendigerweise mit den Meinungen des Forscherteams überein. Alle Interviews sind streng vertraulich geführt worden, die Interviews wurden daher codiert und durchnummeriert. Im folgenden Teil wurde zu Gunsten der Lesbarkeit, auf Verweise zu den einzelnen Interviewnummern verzichtet. Im weiteren Verlauf der Studie erfolgt allerdings bei Textteilen, die sich auf Aussagen in den Interviews beziehen eine Referenz zur Interviewnummer (z. B. Interview 01, 02, 03, etc.).

Für die Darstellung der Interviewergebnisse wurde versucht, so nah wie möglich an den originalen Aussagen der Interviewten zu bleiben. Analysen und Bewertungen des Forscherteams erfolgen in den Kapiteln nach der Interviewauswertung.

Nach der Auflistung der Interviewpartner folgt die Interviewauswertung.

Die folgenden Personen wurden interviewt:

Aktivisten


Medien

Nichtregierungsorganisationen

Parteinahe Stiftungen

Politik

Wirtschaft

Wissenschaft


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[1] vergl. Scharmer, C. Otto 2007: Theory U. Cambridge: The Society for Organizational Learning: S. 11 ff.

[2] vergl. Frenzel, Karolina; Müller, Michael und Sottong, Hermann 2004: Storytelling: Das Harun-al-Raschid-Prinzip. Die Kraft des Erzählens für Unternehmen nutzen. München Wien: Hanser Verlag.

[3] Mind-Mapping ist eine von Tony Buzan in den 70er Jahren entwickelte Methode zum Erschließen und visuellen Darstellen von Themengebieten. Eine Mind-Map besteht aus beschrifteten Baumdiagrammen, die Hauptäste entsprechen dabei den Meta-Themen, die sich gemäß den Unterkategorien weiter verästeln. Vergl. Kirckhoff, Morgens 1989: Mind Mapping: Die Synthese von sprachlichem und bildhaften Denken. 2. Auflage, 1. Auflage 1988, Berlin: Synchron Verlag.

[4] Für weitere Details zum methodischen Vorgehen siehe: Flick, Uwe; von Kardorff, Ernst und Steinke, Ines (Hg.) 2010: Qualitative Forschung: Ein Handbuch. 8. Auflage, 1. Auflage 2000, Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Insbesondere die Beiträge von Schmidt, Christiane: Analyse von Leitfadeninterviews: S. 447 – 456 und Böhm, Andreas: Theoretisches Codieren: Textanalyse in der Grounded Theory: S. 475 – 485

[5] vergl. Glaser, Barney G. und Strauss, Anselm L. 2010: Grounded Theory: Strategien qualitativer Forschung. 3. Auflage, Bern: Huber Verlag

[6] vergl. Lachenmayer, Jan 2009: Explorative Culture Analysis [ECA] – Micro Anthropology Through Storytelling (18.05.2012)