1.4 Forschungsaufbau und -leitende Fragestellung

Die hier präsentierten Ergebnisse gehen aus einem neunmonatigen, interdisziplinären Forschungsprojekt hervor, von Ende 2011 bis Mitte 2012 hervor. An dem Projekt beteiligt waren xaidialoge (Bereich der xailabs GmbH) und die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). xaidialoge war für die Leitung des Projekts verantwortlich.

Das primäre Ziel des Forschungsprojekts galt der Betrachtung und Analyse von Kommunikationsphänomenen politischer Massen im Internet, die als Internet-Tsunamis bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei um vielschichtige, komplexe Phänomene, deren ausführliche Analyse unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen bedarf. Ein interdisziplinärer und multiperspektivischer Forschungsansatz wurde gewählt, um Internet-Tsunamis aus unterschiedlichen Perspektiven zu untersuchen.

Aus kulturwissenschaftlicher Sicht werden die Auswirkungen des Internets auf das menschliche Verhalten und Zusammenleben, unter besonderer Beobachtung des Kulturraums Internet untersucht. Die sozialwissenschaftliche Perspektive dient der Rahmung und dem wissenschaftstheoretischen Überbau. Es geht um die Kommunikation und Konstitution sozialer Systeme und wie diese beobachtet werden können. Es scheint, dass Internet-Tsunamis eine neue Einflussgröße auf Politik bzw. den Politikprozess ausbilden. Diese zu bewerten ist Aufgaben der Politikwissenschaft. Bevor diese Bewertung vorgenommen werden kann gilt es zu evaluieren, wie das zu untersuchende Phänomen in der politischen Praxis wahrgenommen wird. Die geführten Interviews mit Politikern und politiknahen Akteuren liefern diese Politik Perspektive.

Die Untersuchung verfolgt in erster Linie zwei Zielsetzungen: Zum einen gilt es, ein scheinbar neues Phänomen der politischen Massenmobilisierung durch das Internet und die sozialen Medien zu untersuchen. Und zweitens sollen die Ergebnisse dieser Untersuchung dazu verwendet werden die Auswirkungen auf Politik, das politische System und die Demokratie zu bewerten.

Fragestellung

Die übergreifenden  forschungsleitenden Fragestellungen lauten:

  • Wie trägt das Internet dazu bei politische Massen zu mobilisieren und zu organisieren?
  • Welche Auswirkungen haben Phänomene der Massenmobilisierung über das Internet auf die Politik und den Politikprozess, bzw. wie sind diese zu bewerten?

Diese übergreifenden Fragestellungen werden in den einzelnen Kapiteln nochmals genauer spezifiziert und verfeinert.

Hypothesen

  1. Das Internet und die sozialen Netzwerke bilden neue Formen und Instrumente der Massenkommunikation und Massenmobilisierung aus.
  2. Diese werden genutzt, um Bürgerinnen und Bürger für politische Themen zu aktivieren und zu mobilisieren sowie die dabei entstehenden politischen Massen zu organisieren. Ziel ist es dadurch Druck auf politische Entscheidungen und Entscheidungsträger auszuüben.

Die Kapitel der Studie entsprechen dem Forschungsverlauf, dabei wurden die insgesamt sieben Kapitel in drei Blöcke unterteilt. Die Blöcke geben die jeweilige forschungsstrategische Ausrichtung vor. Block I befasst sich mit der Themenfeldexploration, Block II mit der Analyse durch die unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen, Block III bewertet die gewonnen Erkenntnisse mit Blick auf Politik und Demokratie sowie fast die Ergebnisse der Studie zusammen.

Im Einzelnen bedeutet dies: Der Block I Themenfeldexploration beinhaltet die Kapitel 2 Explorative Interviews und Kapitel 3 Fallstudien. Die Phänomenbeschreibung in Kapitel 2 erfolgt anhand von einer breit aufgesetzten Interviewstaffel mit fast fünfzig Vertretern aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Medien, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Interviews dienten dazu das Themenfeld in seiner breite und Diversität zu eröffnen und abzustecken. In Kapitel 3 galt es an konkreten Beispielen tiefgehende Phänomenbeschreibungen vorzunehmen und Grundlagen für spätere Analysen zu extrahieren, hierzu wurden Fallstudien über die Plagiatsaffäre Guttenberg, Occupy Wallstreet, den Arabischen Frühling sowie die Anti-ACTA-Proteste angefertigt.

Block II befasst sich mit der detaillierten Analyse der zu untersuchenden Phänomene aus der Sicht unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen. In Kapitel 4 wird dabei aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive untersucht in wie fern Kampagnenstrukturen, On-/Offline-Wechselwirkungen, Verteilungsmechanismen und massenpsychologische Reaktionen eine mögliche Erklärungsgrundlage für das Phänomen der Internet-Tsunamis bieten. Kapitel 5 befasst sich mit einer soziologischen Betrachtung des Phänomens, darunter fallen unter anderem die die theoretische Auseinandersetzung mit den Begriffsdefinitionen von öffentlich und privat sowie eine Analyse der Massenmedien auf Basis eines systemtheoretischen Frameworks. Im letzten Abschnitt wird dann auf die Erweiterung der klassischen Massenmedien durch das Internet eingegangen.

Block III behandelt die politischen Auswirkungen und beschäftigt sich mit deren Bewertungen. Dabei geht es in Kapitel 6 um die Bewertung der zu untersuchenden Phänomene mit ihrer Wirkung auf den Politikprozess. Es werden Veränderungen in der politischen Beteiligungskultur ausgelöst durch das digitale Zeitalter aufgezeigt. Letztlich wird die Position der Bundesregierung gegenüber Überwachungstechnologien kritisch hinterfragt. Kapitel 7 schließt die Studie mit Konklusionen, unter Bezug auf die eingangs aufgeworfene Fragestellung ab und wagt einen Ausblick auf Basis von sieben Thesen.

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